Seit Mitte Mai kann man in Baden-Württemberg straffrei mehr Cannabis bei sich tragen als bislang – diese Neuregelung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag stößt auf sehr unterschiedliches Echo. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, lehnt die von den Grünen gewünschte Erhöhung des Eigenbedarfs von sechs auf zehn Gramm ab. Mit zehn Gramm könne man sich schon 20 bis 30 Joints drehen. «Das hat mit Eigenbedarf herzlich wenig zu tun.» Die Landesstelle für Suchtfragen hingegen begrüßt den Schritt. «Das ist eine erforderliche Anpassung an die Realität», sagte Christa Niemeier, Referentin für Suchtfragen und Prävention der Landesstelle, der Deutschen Presse-Agentur. Für weite Kreise gehöre Cannabis zum Freizeit- und Genusskonsum. «Wir müssen wegkommen von der Kriminalisierung von Konsumenten.»
Ludwig betonte, gerade für Heranwachsende, für Jugendliche und Kinder sei Cannabis nach wie vor bei regelmäßigem und häufigem Konsum eine Gesundheitsgefahr. Haschisch sei eine psychoaktive Substanz, die Depressionen, Atemwegserkrankungen oder Schizophrenie auslösen könne. «Nur, weil einige Kiffen für Freizeitvergnügen halten, ist es noch lange nicht salonfähig.» Viele Suchtkranke nennen nach ihrer Erfahrung Cannabis als Einstiegsdroge, auch wenn es Studien gebe, die diesen Zusammenhang nicht herstellen.
Niemeier konterte, ein Fokus allein auf problematischen Konsum bei Jugendlichen werde den Tatsachen nicht gerecht. Auch wenn Cannabis wegen Züchtungen viel intensiver wirke als noch vor 20 Jahren, sei die Droge nicht per se zu verteufeln, sagte die Expertin. «Cannabis als Einstiegsdroge ist ein Mythos, es müssen mehr Faktoren zusammenkommen, um schädliche Abhängigkeiten zu erzeugen.» Dabei seien die körperlichen und psychischen Folgen des Haschisch-Rauchens nicht zu verleugnen, sagte Niemeier. «Das ist wie beim Alkohol – manche werden abhängig, andere nicht, aber gerade bei frühem Einstiegsalter sind bei Entzug Unruhe, Konzentrationsprobleme, Depressionen, Antriebslosigkeit möglich.» Ein 30-Jähriger, der am Wochenende einen Joint rauche, setze sich hingegen keiner großen Gefahr aus.
Mit Blick auf die «bittere Pille» in Baden-Württemberg sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Ludwig, ein Anhebungswettbewerb zwischen den Ländern sei nicht hinzunehmen. Berlin und Bremen setzen mit zehn bis 15 Gramm die höchsten Obergrenzen. Die meisten Länder ziehen die Grenze bei sechs Gramm. Diesen Wert schlägt Ludwig auch als bundeseinheitliche Maximalgrenze vor. «Das schafft Klarheit für alle und lässt keinen Platz für weiteres Durcheinander.» Auch Niemeier betonte, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Obergrenzen seien nicht mehr vermittelbar.
Langfristig findet Niemeier vorbehaltlich einer Bundesgesetzesnovelle eine staatliche Abgabe an zertifizierten Stellen wünschenswert – mit starkem Jugendschutz, der besser funktionieren müsse als beim Alkohol. Unverzichtbar seien eine Abgabe erst ab 21 Jahren und Aufklärungskampagnen.
Die CSU-Politikerin Ludwig erklärte der Legalisierung der Droge, deren Besitz, Handel und Erwerb derzeit noch verboten sind, eine Absage. «Was passiert denn, wenn Cannabis legalisiert wird? Beispiel USA oder Kanada: Wir sehen, dass dort weder weniger gekifft, noch der Schwarzmarkt ausgetrocknet wird.» Deutschland habe bereits mit den Folgen zweier legaler Drogen – Alkohol und Tabak – zu kämpfen.
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